Grobes, dunkelgrünes Gras

Publiziert im Kulturmagazin Du, 2002


Der Berg konnte hängen wie ein Bauch, wie ein Wassertropfen, in dem sich die umliegende Welt spiegelte. Wie ein Panorama in einem einzigen Punkt, lautlos, fallend, in die Ewigkeit des Mittags gespreizt. Die Stille raschelte unter dem groben dunkelgrünen Gras, das man nicht schnitt. Der Mäher stand schon den ganzen Morgen stumm dort, jetzt gehörte das Land den Vögeln und Insekten. Der Mittag zog von Osten nach Westen wie ein riesiger Uhrzeiger, wie ein Zeigefinger. Dann kamen die Bauern, die Schäfer, wieder aus ihren Tennen, wo sie pittoresk im Stroh gelegen hatten, mit nackten Füssen. Die Fussnägel hatten sie golden lackiert. Sie schnürten ihre Schuhe, fassten uns Kinder bei der Hand und zeigten in die Ferne. Hoben den Rechen und zogen das Heu den Hang hinunter, in langsamen, sicheren Gesten, als gehorchten sie dem Pendel einer inneren Uhr.


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